Sind Gemüsepflanzen Fleischfresser?

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Düngen / Mulchen
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare
  • Lesedauer:16 min Lesezeit

Düngen im Gemüsegarten

In den letzten Wochen habe ich viele Fragen zum Thema „richtig Düngen im Gemüsegarten“ von euch bekommen.

Deswegen habe ich mich hingesetzt und all mein Wissen, meine Erfahrungen und moderne Forschungsergebnisse hier einmal für Dich zusammengefasst.

Sind unsere Böden tatsächlich überdüngt?

Man hört ja immer wieder, dass unsere Böden hoffnungslos überdüngt seien, und wir uns mit dem Düngen zurückhalten sollen. Genau hier entstehen aber oft Missverständnisse, denn Pflanzen brauchen verschiedenste Nährstoffe, deswegen lässt sich das einfach nicht pauschalisieren.

Aber ganz von vorne:
Letzten Herbst habe ich eine kleine Bodenprobe gemacht und im Labor analysieren lassen. Ich habe insgesamt zwei Proben abgegeben, eine aus dem Folientunnel und eine aus den Freilandbeeten. Damit man da einen guten Querschnitt bekommt und nicht nur einen einzelnen Flecken analysiert, habe ich von jedem Bereich 15 Stellen entnommen und die Erde vermischt.
So wird die Probe deutlich aussagekräftiger.

Da auch bei mir manche Pflanzen nicht so recht gedeihen wollten im letzten Jahr und ich einen Mangel vermutet hatte, hat mich das Ergebnis dann tatsächlich stark überrascht!

Insgesamt wurden die zwei Bodenproben auf die Konzentration von Phosphat, Magnesium und Kali geprüft.  Das sind die wichtigsten Hauptnährstoffe für unsere Pflanzen, und ein Mangel, sowie ein Überschuss an diesen Nährstoffen, können negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Pflanzen haben. Was nicht überprüft wurde, ist das Vorhandensein von Stickstoff. Dazu komme ich später.

Das Ergebnis meiner Bodenproben

Das Ergebnis der Bodenprobe hat ergeben, dass alle meine Beete tatsächlich überversorgt sind. Das war für mich eine Überraschung!

Ich weiß natürlich nicht, wie mein Vorpächter die Beete im Freiland bewirtschaftet hat, aber die Beetflächen im Folientunnel habe ich selbst angelegt und weiß daher genau, dass ich selbst sie nicht überdüngt haben kann.

Ich bringe lediglich meinen eigenen Kompost aus, allerdings nicht so viel wie empfohlen wird. Das sind nämlich bis zu 3 Liter pro m2, so viel Kompost habe ich nicht zur Verfügung. Zusätzlich arbeite ich gern mit Gesteinsmehl, weil es den Pflanzen wichtige Mineralien liefert und den Humusaufbau auf natürliche Weise unterstützen kann. Als Stickstofflieferant verwende ich Hornspäne und Hornmehl.

Der Nährstoffüberschuss muss also von Anfang an im Boden vorhanden gewesen sein. Spannend!

Für meine tägliche Gartenpraxis war ich nun also genau so schlau wie vorher und hatte keine Ahnung, wie ich hätte meine Düngung anpassen sollen…

Optimale Wachstumsbedingungen schaffen

Das hat mich zunächst unter enormen Druck gesetzt, weil ich keinen Lösungsansatz finden konnte.

Wenn es Dir auch so geht, dann habe ich jetzt ein spannendes Thema für Dich:

Zäumen wir das Pferd mal von der anderen Seite auf. Und zwar nicht bei den isolierten Nährstoffen, sondern bei der Umgebung, in der sich unsere Pflanzen entwickeln.

In meinem Video: „Beetvorbereitung im Frühjahr leicht gemacht“ habe ich Dir schon einige Grundlagen über den Aufbau von unserem Boden anschaulich erklärt. Wenn Du das also noch nicht gesehen hast, schau da gerne als erstes nochmal rein, damit Du hier auch den Anschluss behältst.

Wie Pflanzen essen

Die Haupternährung unserer Pflanzen findet im Boden statt. Hier holen sich die Wurzeln ihr Wasser und die darin verfügbaren Nährstoffe. Natürlich ist dieser Vorgang in Wirklichkeit viel komplexer, uns reicht das hier aber so.

Das Ziel sollte es also sein, den Wurzeln eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich frei an allen Nährstoffen bedienen können..

Du weißt bestimmt schon, dass die Wurzeln unserer Gemüsepflanzen sich mit verschiedenen Bodenpilzen in Symbiose befinden können und so Nährstoffe untereinander austauschen können. Damit diese Symbiose funktionieren kann, benötigen sie aber ihre Ruhe! Das bedeutet im Klartext, dass wir keinerlei Gifte verwenden, den Boden nicht 30 Zentimeter tief umgraben und damit durcheinanderwühlen, und das wir die Oberfläche ganzjährig bedeckt halten. Und trotzdem ist das noch lange nicht alles.

Neue Mitspieler entdeckt

Die Endocytose an den Wurzelhaaren der Pflanzen

Australische Forscher haben 2010 in einem Bericht veröffentlicht, dass unsere Gemüsepflanzen tatsächlich Mikroorganismen wie Bakterien und Hefezellen aufnehmen verdauen, und das sogar liebend gern!Als ich das gelesen habe, musste ich erstmal schlucken.
Mit ihren Wurzelhaaren nehmen sie ganz bewusst und gezielt Mikroben auf, in dem sie – und jetzt halte Dich fest – sie zum Teil genüsslich verspeisen! Krass, oder?
Um das zu bestätigen, hat man die Mikroorganismen mit speziell behandeltem, radioaktivem Stickstoff behandelt und siehe da, schon wenige Tage nach der Gabe dieser Mikroorganismen konnte dieser Stickstoff in den neu gebildeten Blättern von Tomatenpflanzen nachgewiesen werden. Die Tomate hat die Mikroorganismen also tatsächlich vollständig verdaut!
Die Quellen dazu habe ich Dir natürlich auch verlinkt.

Wenn Du noch ein paar Inspirationen für Deinen Garten brauchst:

Warum das für uns Hobbygärtner relevant ist

Warum erzähle ich Dir das alles?

Wieder einmal mehr zeigt sich, wenn wir gesundes, robustes und vor allem aromatisches Gemüse ernten möchten, dann müssen wir die Pflanze so gut es eben geht in ihrer Entwicklung unterstützen. Und das tun wir eben nicht durch die einfache Gabe von einem isolierten Dünger, sondern wir tun es am besten, indem wir die Bodengesundheit verbessern, den Humusaufbau unterstützen und vor allem die Bodenschichten nicht durch umgraben durcheinanderbringen!

Ich bin ein absoluter Verfechter von einem bedeckten Boden. Nur wenn der Boden vor den Witterungseinflüssen geschützt ist, kann sich das Bodenleben in den oberen Schichten stabil etablieren!

Mulchen verhindert zudem das Wegspülen des Bodens bei Starkregenereignissen, und es vermindert das Austrocknen der obersten Bodenschichten in Trockenzeiten. Das ist essentiell wichtig zu verstehen, denn egal wieviel wir unsere Pflanzen auch düngen, wenn die Erde um die Gemüsepflanzen austrocknet kann die Pflanze diese Nährstoffe nicht aufnehmen. Sie braucht dazu einen durchlässigen und vor allem befeuchteten Boden.

Bis zu 30% des Stickstoffbedarfs wird von Mikroben gedeckt

Verschiedene Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass auch die Mikroben sich in einem lebendig und nachhaltig bewirtschafteten Boden deutlich besser halten können und so unsere Pflanze zusätzlich mit bis zu 30% des Gesamtbedarfs an Stickstoff versorgen können. Das ist schon eine Hausnummer und ein Grund mehr, den Boden im Gesamten zu pflegen!

Rückschlüsse

Was nehmen wir aus diesen Erkenntnissen nun mit?

Düngen im Privat- und Hobbygarten zur Selbstversorgung ist kein Hexenwerk. Wie ich Dir erklärt habe, haben wir auf die meisten Bestandteile des Bodens und der Verfügbarkeit von verschiedensten Nährstoffen kaum einen realistischen Einfluss, da das Zusammenspiel viel zu komplex ist und sich – sind wir mal ehrlich – doch auch kaum jemand damit in der Tiefe beschäftigen möchte!

Worauf wir allerdings einen Einfluss haben, ist wie wir unsere Böden behandeln! Mit einer klugen, nachhaltigen und schonenden Bodenbearbeitung in Verbindung mit Mulch haben wir den für uns größten Hebel tatsächlich selbst in der Hand.
Die Evolution ist klug und erfolgreich, sie hat unzählige Mechanismen hervorgebracht, wie Pflanzen an ihre benötigten Nährstoffe kommen, wenn sie nur die Chance dazu bekommen. Alles was wir tun müssen ist auf eine ausreichende Stickstoffversorgung zu achten. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.  Der ist nämlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und bei verschiedenen Temperaturen mal schlechter und mal besser verfügbar, weswegen man ihn auch nicht ohne Weiteres bei einer Bodenprobe analysieren kann. Man müsste die Bodenprobe dafür auf einer konstanten Temperatur halten bzw. einfrieren, weil sonst die Ergebnisse variieren würden.
Es gibt allerdings ziemlich gute Orientierungshilfen, wie viel Stickstoff Stark-, Schwach- und Mittelzehrer im Durchschnitt in der Saison benötigen, die kannst Du hier nachlesen und so selbst auch anwenden:

Nährstoffbedarfbenötigter Stickstoff pro Saison (ca.)Hornspäne pro m2 (ca.)
Starkzehrer20 – 25g142 – 178g
Mittelzehrer13 – 16g93 – 114g
Schwachzehrer6 – 10g43 – 71g

Hornspäne enthalten im Durchschnitt rund 14% reinen Stickstoff. Das bedeutet, sie haben auf 100g etwa 14g Stickstoff.

Wenn Du also zum Beispiel Deine Kohlbeete düngen möchtest, brauchst Du auf 1m2 dafür rund 20g Stickstoff über die gesamte Anbauphase bis zur Ernte. Das sind insgesamt 142g Hornspäne.

Die kannst Du nun auf zwei bis drei Gaben aufteilen. Ich bringe gern zu Beginn der Saison (Februar / März) das erste Mal rund die Hälfte aus, also 71g Hörnspäne/m2. Je nachdem ob noch eine Folgekultur auf dem Beet wachsen soll teile ich die restlichen 71g auf eine oder zwei weitere Gaben auf, jeweils etwa 4 bis 6 Wochen versetzt.

Wichtig ist dabei, dass Du im Herbst nicht mehr stark düngst, denn Stickstoff kann kaum im Boden gespeichert werden und wird zum Großteil im Winter ausgewaschen. Also lieber Vollgas im Frühjahr und Sommer, im Herbst dann aber langsam machen.

Hier kannst Du Dir das passende YouTubeVideo zum Beitrag anschauen:

Fazit

Heute habe ich Dich mit viel Theorie bombardiert, aber manchmal ist das meiner Meinung nach einfach notwendig, um bestimmte Themen zusammen fassen zu können.

Für die studierten Bodenkundler: Ja – in seltenen Fällen können natürlich auch bestimmte Mineralien oder andere Nährstoffe im Boden fehlen und müssen zugegeben werden. Das ist aber das definitiv die Ausnahme und für die meisten von uns Hobbygärtnern nicht relevant!

Viel häufiger kommt es vor, dass die Nährstoffe im Überfluss vorhanden sind, durch unausgeglichene Bodenverhältnisse allerdings nicht für die Pflanzen verfügbar sind.

  • Pflege Deine Böden und sorge für ein aktives und vielfältiges Bodenleben, indem Du nicht umgräbst und Du Deine Beete wenn überhaupt nur auflockerst.
  • Halte die Bodenoberfläche mit Mulch bedeckt und füge den benötigten Stickstoff in 3 bis 4 Gaben das Jahr über verteilt Deinen Pflanzen zu.
  • Lass Dich nicht durch den 100ten Artikel der irgendwo mal wieder die „Nährstoffmangelgefahrkeule“ rausholt verunsichern! Ein guter organischer Gemüsedünger mit genug Stickstoff ist völlig ausreichend.
  • Wenn Du auf Nummer sicher gehen möchtest, kannst Du selbstverständlich auch einfach eine eigene Bodenprobe entnehmen und Deinen Boden analysieren lassen, da gibt es einige namenhafte Anbieter am Markt.

Ich bin gespannt zu lesen wie Du über dieses Thema denkst und was Du bereits für Erfahrungen im Bezug auf die Düngung Deiner Gemüsepflanzen machen konntest!

„Geh raus, buddel in der Erde, und düng Dein eigenes Stück Gartenglück!

Deine Maren

Schreibe einen Kommentar